Eine Oberfläche, die eine Baustelle in all ihren Facetten übersichtlich abbildet? Schnelle Dokumentation, nachvollziehbare Berichte und eine saubere Formatierung? Klingt wie eguana SCALES – ist es aber nicht. Das Software-Sortiment von recordIT ist das visuelle Pendant zu unserem Datenmanagement-Tool und ermöglicht die Darstellung einer Baustelle in Bildform. Das Sortiment soll nun um ein Tool erweitert werden, mit dem Bauwerke dreidimensional erfasst und dargestellt werden.
Wir haben uns mit Gründer Stefan Grubinger über sein virtuelles Baby, die Hürden eines Start-Ups und innovationsresistente Bauingenieure unterhalten.
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Es sind rund 5.000 Stützbauwerke in der Nähe von Landesstraßen, die das Land Salzburg seit 2018 erheben lässt. Die Projektlaufzeit beträgt fünf bis acht Jahre, die Erhebung erfolgt durch externe Ingenieursbüros – eine lange Laufzeit und viele unterschiedliche Projektteilnehmer, die mit unterschiedlichen Systemen und Strukturen arbeiten, und folglich auch eine Menge Potenzial für Diskrepanzen und Fehler. Durch die Software von recordIT erfolgt die Dokumentation aber nach genau definierten Vorlagen und alle Bauwerke werden standardisiert erfasst.
Die Erhebung vom Land Salzburg ist nur eine von vielen Einsatzfällen für das digitale Werkzeug. Beim Neubauprojekt „S7 Fürstenfelder Schnellstraße“ ermöglicht die App die laufende Dokumentation des Baufortschritts sowie die Erfassung und Verwaltung von Mängeln. Die aufgenommenen Fotos werden sowohl auf einem digitalen Plan als auch im Geoinformationssystem dem Aufnahmeort zugewiesen und sind somit leicht zu finden.
Alles im Blick, von Anfang an
Der Gedanke für das Tool entstand –wie es so häufig der Fall ist– aus einer Notwendigkeit heraus. Beim Schreiben und Formatieren von Berichten drückte oft der Schuh. „Im Zuge von Baustellen und den dabei zu erstellenden Berichten habe ich nach einer Lösung gesucht, die es mir ermöglicht benutzerangepasste Berichte direkt am Tablet zu erstellen. Da ich nicht wirklich was Ansprechendes gefunden hatte, kam bald die Idee auf, sowas selbst zu entwickeln bzw. entwickeln zu lassen.“
Zum Gründerteam gehören auch Bauingenieur Matthias Rebhan von der Technischen Universität Graz; Webentwickler Simon Jiménez; und Roman Marte, Universitätsprofessor und Vorstand des Instituts für Bodenmechanik, Grundbau und Numerische Geotechnik der TU Graz. Mittlerweile ist das Team auf zehn Mitarbeiter angewachsen. „Computer sollen machen, was Computer gut können, und Menschen sollen machen, was Menschen gut können“, fasst Grubinger den Gedanken dahinter zusammen. „Weiter sollte beim Berichteschreiben der Frustfaktor in den Hintergrund gedrängt werden und der Inhalt mehr Zeit und Aufmerksamkeit bekommen.“
Fotos, Karten und Informationen können vom Nutzer ganz einfach vor Ort erstellt und individuell an die jeweilige Situation angepasst werden. Das können ganze Texte oder einzelne Stichworte sein, oder auch vorabdefinierte Abfragen. Die Karten erlauben es, unmittelbar aus der Software heraus Screenshots zu machen, außerdem können unterschiedliche Schichten wie Leitungen, Straßen oder Gleise eingespielt werden, die bei der Arbeit zur Verfügung stehen. Berichte dazu können ebenfalls an die entsprechenden Anforderungen angepasst und automatisiert generiert und ausgewertet werden. Noch passieren diese Auswertungen und Untersuchungen durch menschliche Benutzer, es wird allerdings bereits an einer Künstlichen Intelligenz gearbeitet, um diese Tätigkeiten zu automatisieren.
Der Name recordIT ist auf doppeldeutige Art und Weise eindeutig und in jeder Hinsicht passend – Fotos, Skizzen, Kartenausschnitte etc. können einfach über Tablet oder Handy aufgenommen und die Information dann in der gerade gewünschten Form abgerufen werden.
Von Sicherheitsüberprüfungen von Gebäuden bis hin zur Dokumentation von Baufortschritten bei Unterflurtrassen ist recordIT, gegründet 2017, mittlerweile in unterschiedlichen Bereichen im Einsatz. So zum Beispiel auch bei der Begehung von Wildbächen, wo Missstände wie umgestürzte Bäume, Muren, etc., erhoben, verortet und automatisiert Verarbeitet werden. Durch die Verortung in Grundstücken und die Verknüpfung mit Grundbuchdaten werden Benachrichtigungen an Grundstückseigentümer automatisiert generiert und versandt sowie Berichte für Gemeinden und Statistiken generiert.
Die Software eignet sich somit nicht nur für alle, die Dokumentationsleistungen am und rund um den Bau durchführen, sondern auch für Anwender in branchenfremden Bereichen.
Inspect 3D – eine dreidimensionale Baustelle
Die Erhebung erfolgt über die gesamte Lebensdauer des Bauwerks, angefangen bei der Bestandserhebung über die tatsächliche Bauphase bis hin zur Kontrolle und Prüfung während der Betriebsphase. Besonders in diesen Bereich werde aktuell viel investiert, so Grubinger.
Aus diesem Grund geht das Unternehmen nun noch einen Schritt weiter. In Zusammenarbeit mit der Firma Robotic Eyes entwickelt das Team um Grubinger das Prüftool „Inspect 3D“ – und dieses ermöglicht es dem Benutzer, ein Bauwerk in all seinen Entstehungsphasen in dreidimensionaler Form darzustellen. Ein digitaler Zwilling in 3D also, der Mängelbilder, Fotos und sonstige verankerte Informationen in Augmented Reality darstellt, so als wäre man tatsächlich vor Ort.
Das Tool ist „genau auf die Anforderungen bei Kontrollen und Prüfungen zugeschnitten“ und erlaubt „neben der Berichterstellung auch eine 3D-Betrachtung der Bauwerke. So sind die Fotos und Informationen direkt am Bauwerk vermerkt und können später dort wieder abgerufen werden – eine Verwechslung von Fotos und Informationen wird nahezu unmöglich.“
Nicht aufgeben
Der Anfang als Start-Up war aber nicht immer leicht, erinnert sich Grubinger. „Gerade in der Anfangsphase, wo ein paar Euro oft sehr viel weiterhelfen würden, ist es sehr schwer, Finanzierungen zu bekommen. Hier beißt sich oft die Katze in den Schwanz.“ Um Fördermittel zu bekommen, muss man ein Produkt vorweisen können – aber um ein Produkt entwickeln zu können, braucht es finanzielle Mittel.
Hinzu kommt, dass zwar der Wunsch nach besseren digitalen Tools immer lauter wird und auch zunehmend von den Arbeitgebern gefordert wird, „die Bauingenieure schlummern aber zum Teil noch immer“, so Grubinger. Nichtsdestotrotz würden die Forderungen danach zunehmend lauter und die Branche, angestoßen durch die Anforderungen von BIM, werde langsam wachgerüttelt und Hemmschwellen zu neuen Technologien zunehmend abgebaut.
Die innovative Software wird nicht überall sofort erfreut angenommen. „Ein Bauingenieur hat einem Mitarbeiter erzählt, dass er keinen Bedarf für die Software hat, da er sowieso die effizienteste Arbeitsweise hat. Er meinte, dass er -anstatt selbst zu dokumentieren- mit seiner Sekretärin telefoniert und ihr dann alles erklärt und sie das niederschreibt. Da musste ich mir vor Verwunderung tatsächlich an den Kopf greifen.“ Grundsätzlich ist aber nicht nur der Bedarf, sondern auch der Wunsch danach groß, so Grubinger. Nicht nur Bauingenieure, sondern auch sämtliche Personen, die regelmäßige Kontrollen und Überprüfungen von Bauwerken unterschiedlichster Art durchzuführen haben, können durch Verwendung der App effektiver arbeiten und Berichte, Listen und Checklisten im Handumdrehen verfassen.
„Was wir gelernt haben ist, dass man kontinuierlich an der Idee arbeiten muss und es immer wieder Situationen gibt, die zurückwerfen. Aber so manche Nachtschicht hat geholfen und unter solchem Druck wird dann auch die eine oder andere sehr gute Idee geboren, die nicht nur in dieser Situation hilft. Regelmäßiges Überdenken der aktuellen Situation und eine ggf. neue Ausrichtung der Firma oder auch nur einzelner Punkte kann helfen, vieles einfacher zu gestalten und auch für die Kunden einen großen Mehrwert liefern!“
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Über Stefan Grubinger
Dokumentation ohne Frust – das muss doch möglich sein! Durch seine jahrelange Erfahrung im Bauwesen (der gebürtige Salzburger hat neben seinem Studium „Wirtschaftsingenieur Bau“ an der Technischen Universität Graz jahrelang als Konstruktionstechniker gearbeitet, bevor er sich 2017 mit recordIT selbstständig machte) wusste Stefan Grubinger genau, wo der Schuh drückte. Deshalb machte er sich mit gemeinsam mit ein paar Mitstreitern daran, das Problem zu lösen und die Dokumentation von Bauprozessen zu vereinfachen. Obwohl der Baumeister mittlerweile viel Zeit im Büro verbringt, ist er am liebsten selbst auf der Baustelle unterwegs.
Bildcredit: recordIT