Ein Blick in die große Halle der Schiffbauversuchsanstalt
Credit: SVA

Wie baut man eigentlich ein Schiff?

Über 200 Meter erstreckt sich die Halle der Schiffbautechnischen Versuchsanstalt. Das Wasser spiegelt die darüberliegende Hallendecke so exakt wider, dass es aussieht, als wäre das Becken leer. Wir haben der weltweit kleinsten Anlage ihrer Art einen Besuch abgestattet.

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Der Start war ein holpriger. Vor etwas mehr als 100 Jahren noch hatte Österreich, so unwahrscheinlich es heute scheint, die drittgrößte Flotte der Welt. Als 1912 die Idee einer Schiffbauversuchsanstalt aufkam, wurden auch Pula und Triest ins Rennen geworfen, Wien konnte sich aufgrund der Nähe zu den Ämtern gegen die kroatischen und italienischen Hafenstädte durchsetzen.

1914 wurde die Anstalt in Betrieb genommen – dann kam der Krieg und Österreich verlor den Zugang zum Meer.

Nichtsdestotrotz wird hier, im 20. Wiener Gemeindebezirk, seit bald 110 Jahren täglich daran gearbeitet, Schiffe zu verbessern. Mit nur etwas mehr als einem Dutzend Mitarbeitern ist sie die kleinste der weltweit existierenden 90 Schiffbauversuchsanstalten, und die einzig private. Im Gegensatz zu staatlichen Betrieben, bei denen Geld im Grunde „keine Rolle spielt“, müssen sie sich selbst finanzieren, erklärt Geschäftsführer Clemens Strasser.

Von kleinen Booten bis hin zu großen Jachten

Von den Werften bekommen Strasser und seine Mitarbeiter Pläne zugeschickt. Aus diesen bauen sie dann entweder schwimmende Modelle, um ihre Fähigkeiten auf dem Wasser zu testen und zu optimieren, oder nochmal kleinere Modelle für Versuche mit Luftwiderstand und Rauchabzug. Das kleinste Boot, das hier bisher optimiert wurde, war ein Schnellboot mit knapp zehn Metern Länge, erzählt Strasser, das größte rund 360 Meter lang – eine beachtliche Größe, aber nichts gegen die größten unter den Containerschiffen, die nur knapp an der 500-Meter-Marke vorbeischlittern.

Die Schiffe werden immer größer – weil aber die Abgasnormen seit 2008 immer strenger werden, um das Pariser Abkommen zu erfüllen, werden sie auch immer langsamer. Dennoch: „Es gibt kein Verkehrsmittel, das so viel Tonnage transportieren kann, bei so wenig Emission“, betont Strasser.

Tests im Wasser

Ein Schiff liegt im Wasser (Credit: SVA)
Ein Schiff treibt auf dem Wasser …
Ein Schiff liegt im Wasser (Credit: SVA)
… bereit für einen Widerstandstest.

Im Wasser an einem Ende der Halle treibt ein Schiffrumpf auf dem Wasser, aus hellem Holz, wenige Meter lang, schmucklos. Ein Modell, bereit für den Test. „Es gibt drei Versuche, um ein Schiff im Wasser zu testen“, zählt Strasser auf: „Wie effizient ist mein Propeller? Was hat mein Rumpf für einen Widerstand?“ Und anschließend wird der Propeller am Schiff montiert und dieses fährt bei möglichst konstanter Geschwindigkeit einem Schleppwagen nach.

Bei Jachten kommen Versuche im Stand dazu – das Schiff soll auch bei Wellengang möglichst ruhig auf dem Wasser liegen. „Jachten sind zum Stehen gedacht“, so Strasser. Der Boden des Kanals lässt sich anheben, da sich Schiffe in tiefem Wasser anders verhalten, als in seichtem.

Das Boot, das im Wasser treibt, ist das Modell einer 50-Meter-Jacht. Die Arbeit von zwei Mann und zwei Wochen. Mit einem lauten Brummen setzt sich der „Wagen“ zu beiden Seiten des Bootes in Bewegung, wir und auch das Boot bewegen uns mit ihm mit, immer schneller Richtung Hallenende. Mit 16 Tonnen ist das stählerne Gerüst eines der leichtesten, die es gibt – und so alt wie die Versuchsanstalt. Strasser beobachtet die Wellenbewegungen am Bug des Schiffs. Zu hoch, befindet er – hier gehört noch nachgebessert.

Wenn demnächst die Abgasregelungen gesenkt werden und bald für Boote ab 20 Meter statt erst für Schiffe ab 100 Metern Länge gelten, wird der Besitzer damit nicht mehr fahren dürfen, erklärt Strasser und hofft darauf, dass der Eigner sich dann die aktuelle Jacht erneut optimieren wird.

Leck geschlagen

Blick in die Halle der Schiffbauversuchsanstalt (Credit: SVA)
Blick in die Halle der Schiffbauversuchsanstalt (Credit: SVA)

Wie der Wagen, der die Schiffe durch die Halle zieht, ist auch die Halle an sich schon über hundert Jahre alt, und langsam macht sich ihr Alter bemerkbar. Jede Stunde verliert das Becken rund 3 Zentimeter an Wasser. Bei einer Beckenlänge von 200 Metern und einer Breite von zehn Metern sind das täglich 1.440.000 Liter, die versickern; 535.680.000 Liter pro Jahr. Aber wo sich das Leck befindet, ist unklar. Um das Loch zu stopfen und die Halle zu sanieren sind rund 700 Injektionen im Beckeninneren notwendig, erklärt Strasser. Denn das Wasser des Beckens darf wegen dem darunterliegenden Grundwasser nie abgelassen werden. Sanierungsarbeiten müssen während dem laufenden Betrieb stattfinden.

Einen Stock über dem großen Becken befindet sich ein kleineres aus Glas. Darin, wie ein merkwürdig geformter Tintenfisch in seinem Aquarium, schwimmt ein Propeller. Auf Knopfdruck strömt ihm Wasser entgegen und er beginnt sich zu drehen. Winzig kleine Luftbläschen wirbeln in ordentlichen Spiralen in Richtung der Rückwand des Aquariums.

Was wunderschön aussieht, ist aber nicht optimal, denn die Bläschenbildung entsteht durch Druckunterschiede ober- und unterhalb der Rotorblätter. Fällt der Druck unter den Dampfdruck des Wassers, bilden sich Dampfblasen. Wenn der Druck weiter hinter dem Propeller wieder über den Verdampfungsdruck steigt, kollabieren diese Dampfbläschen schlagartig und lösen Temperaturspitzen aus, die besser vermieden werden sollten. Im Optimalfall, so Strasser, würde man keine Wirbel sehen.

Ein Propeller erzeugt spiralförmige Bläschen (Credit: SVA)
Credit: SVA

Ja(cht), ich will!

Vier Meter weiter unten reiht sich Spielzeugjacht an Spielzeugjacht. Zumindest sieht es so aus. Die sogenannten Windkanalmodelle, jedes etwas mehr als einen Meter lang, sind in feinster Handarbeit aus Holz und anderen Materialien geschnitten. Hier geht es um Versuche mit Luft, Luftwiderstand – und Rauch. „Schornsteine, daran arbeiten wir am meisten“, erklärt Strasser, denn bei Kreuzfahrtschiffen soll auf keinen Fall Rauch über das Deck ziehen und die Passagiere stören. „Designer mögen keine Schornsteine. Sie wollen Schornsteine am liebsten so, dass man sie gar nicht sieht.“ Damit aber der Rauch nicht quer darüber zieht, sollten die Schornsteine eigentlich hoch über das Deck hinausragen. Hier beginnt die Optimierung.

Joachim bestaunt die Jachtmodelle der Schiffbauversuchsanstalt (Credit: SVA)
Unser Softwaredeveloper Joachim bestaunt die Modelle (Credit: SVA)

Zusätzlich zu den realen Modellen werde auch viel am Computer gemacht, so Strasser. Genauere, zuverlässigere Ergebnisse brächten aber die ‚echten‘ Modelle.

In einem letzten Schritt wird dann noch das fertige Schiff aufs Meer, den Fluss oder See gelassen und gemessen, ob die Laborversuche auch der Realität standhalten können. Diese Probefahrten werden aber meist von externen Unternehmen durchgeführt, so Strasser.

Ein wichtiges Kriterium beim Bau einer Yacht ist der sogenannte Komfortindex, also eine Bezeichnung für verschiedene thermische Behaglichkeitsstufen. Es geht dabei darum, den Wind, den Gäste oder Besitzer an Deck abbekommen, möglichst gering zu halten, um so eine angenehme gefühlte Temperatur zu schaffen. Fun Fact: Der Komfortindex stamme ursprünglich aus dem Weinbau, erklärt Strasser, weil man festgestellt habe, dass Weintrauben das gleiche Klima mögen wie der Mensch. Eigentlich sei es also darum gegangen, anhand des menschlichen Komforts ein optimales Umfeld für die Trauben zu schaffen. Um die Fahrt auf einer Yacht zu vervollkommnen, kombiniert man das Erlebnis am besten mit einem Glas glücklichen, gepressten und vergorenen Weintrauben. Prost!

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Ein großes Dankeschön geht an dieser Stelle an Clemens Strasser für eine wahnsinnig spannende Führung – spannende Dinge gibt es wirklich nicht nur im Untergrund zu entdecken! – sowie an Peter, der die Idee für dieses Teamevent hatte. Und wer weiß, vielleicht gehen wir für unser nächstes Teamevent ja Weinwandern!

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Willst Du mit jemandem ein Schiff bauen, wecke in Ihm die Sehnsucht nach dem Meer.

Gert Kupfer
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Von Anna Riedler

Als der Orientierungssinn vergeben wurde, hatte sich Anna gerade verlaufen. Umso besser, dass ihre Arbeit mit Baustellen nur peripher zu tun hat – sie würde vermutlich nie wieder zurück ins Büro finden. Stattdessen schreibt die studierte Journalistin fleißig Texte für unsere Homepage, unseren Blog, und literaturnobelpreisverdächtige Kurzbeschreibungen.