In unserem vorangegangenen Blogbeitrag haben wir uns der U-Bahn quasi von hinten, also geschichtlich, genähert. Heute wagen wir uns von oben heran und graben uns tief in den Untergrund. Wie das geht und welche Methoden es gibt, erfahrt ihr hier:
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Grundsätzlich gibt es sehr unterschiedliche Arten, eine U-Bahn zu bauen. Wer in Wien eine Runde dreht und verschiedene Linien ansieht, wird merken, dass sich das teilweise auch optisch bemerkbar macht. Die U6 beispielsweise beginnt in Siebenhirten in Hochlage, verläuft bis zum Bahnhof Meidling über der Erde und danach stellenweise unterirdisch, teilweise in Tieflage und auf Straßenniveau, um in Floridsdorf so zu enden, wie sie begonnen hat: in Hochlage. Grund dafür ist die Gürtelstrecke der U6, die ursprünglich Teil der alten, von Otto Wagner geplanten Stadtbahn war.
Aber mal abgesehen von einigen Stationen, die sehr Untergrundbahn-untypisch oberirdisch verlaufen, ist eine U-Bahn ja grundsätzlich für den Untergrund gedacht (tatsächlich ist allerdings keine einzige der Wiener U-Bahn-Linien rein unterirdisch unterwegs). Während ursprünglich die Idee dahinter war, oberirdisch mehr Platz für Autos zu schaffen, dominiert heute der Wunsch nach Klimafreundlichkeit und Wohnqualität.
Aber zurück zum Thema – wie wird denn in Wien gebaut?
Beim U-Bahn-Bau in Wien kommen drei verschiedene Bauerten zum Einsatz. Einerseits gibt es die offene Bauweise, die uns zum Wiener Stadtgraben führt (Wer unseren letzten Beitrag gelesen hat, weiß, dass es in oder besser gesagt damals noch um Wien lange Zeit einen Stadtgraben gab, der bei Bedarf geflutet werden konnte). Die offene Bauweise funktioniert vereinfacht gesagt so, wie sie schon vor hunderten Jahren beim Bau dieses Grabens zum Einsatz gekommen ist:
Man gräbt einen Graben – und setzt die U-Bahn rein (falls man nicht durch einen glücklichen Zufall eben bereits einen Graben hat). Wir denken dabei an die U6-Station Burggasse: Graben auf, Schienen rein, U-Bahn drauf und los geht’s. Optional kann dieser Graben dann oben „zugedeckt“ werden – wie es beispielsweise am Wiener Naschmarkt der Fall ist.
Im Zuge der aktuellen Arbeiten an den Linien U2 und U5 werden Stationsbauwerke wie Liftschächte, Lüftungen und Notausstiege in offener Bauweise hergestellt.
Für den Bau der Stationstunnel kommt zum einen der konventionelle Vortrieb nach der Neuen Österreichischen Tunnelbauweise (NÖT) zum Einsatz. Diese Art des Vortriebs bedient sich Sprengungen oder Bagger. Hier erfolgt in zyklischer Vorgehensweise zunächst die Sprengung (oder das Baggern), das Abtragen des Schutts, die Sicherung – und anschließend startet der Vorgang erneut.
Der Bau der tatsächlichen Tunnelstrecke wiederum passiert mithilfe einer Tunnelbohrmaschine. Der sogenannte Kontinuierliche/Maschinelle Vortrieb erfolgt im Gegensatz zum konventionellen Vortrieb durchgehend, da die Tunnelbohrmaschine Bohrung und Abtransport von Schutt gleichzeitig durchführt.
Die Tunnelbohrmaschine, die aktuell beim Bau der Wiener Linien zum Einsatz kommt, ist stolze 50 Meter lang und 6.5 Meter hoch – und damit deutlich größer als meine Wohnung. Für die Grabungen kommt ein riesiger Bohrkopf zum Einsatz, von dem das Abbruchmaterial abtransportiert und in weiteren Schritten die Röhre gesichert und ausgebaut wird. Und das mit einer beachtlichen Geschwindigkeit von rund zwölf Metern täglich.
Hinderliche Hindernisse
Klingt schnell, aber in der Realität gestaltet sich die Sache natürlich komplizierter, als einfach einen Tunnel in die Erde zu graben. Zusätzlich zu all den geologischen Herausforderungen, die schon ein „Freiland“-Tunnelprojekt spannend machen, gibt es im städtischen U-Bahn-Bau noch ein paar weitere Herausforderungen, beispielsweise Keller, Kanäle und darüberliegende Gebäuden, oder die Planung von Rolltreppen (die längste Rolltreppe Wiens findet man übrigens in der Station Zippererstraße (U3), mit einer Länge von 53 Metern – das ist aber international betrachtet nahezu lachhaft, denn die wohl längste Rolltreppe der Welt in der St. Petersburger U-Bahn misst 137 Meter).
Aber auch Aufzugschächte für einen barrierefreien Zugang bereiten den Architekten und Planern Kopfzerbrechen. Und zu guter Letzt gibt es auch immer wieder archäologische Funden zu beachten. So kann man in Wien beispielsweise am Stephansplatz die Virgil-Kapelle besichtigen, die beim Bau der U-Bahn-Station entdeckt wurde (Fun Fact: anscheinend war diese immer nur durch eine Luke in der Decke zu betreten).
Zum Bau der U-Bahnstation Stephansplatz gibt es noch eine weitere Anekdote, die die Schwierigkeit eines solchen Bauvorhabens auf den Punkt bringt: Während der Bauphase kamen eine Menge Sensoren zum Einsatz, um Probleme frühzeitig erkennen zu können – blöd nur, dass diese Sensoren alle Alarm schlugen, als der Messner im Dom etwas Schweres fallen ließ.
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Die nächste Station unserer Reise mit der U-Bahn bringt uns von topografischen Tiefpunkten zu genau solchen architektonischen Höhepunkten, denn wir widmen uns in unserem nächsten U-Bahn-Beitrag unter anderem Ausgrabungen und der teilweise sehr künstlerischen Gestaltung der Stationsgebäude.