Mikropfähle und Riesenbagger, von kleinen Geräten bis zu großen Maschinen ist bei der Arbeit von Matthias J. Rebhan alles dabei. Universitäre Forschung ist verstaubt und langweilig, die WissenschafterInnen in ihren Elfenbeintürmen sind vor lauter Recherchearbeit blasser als Graf Dracula? Nicht am Institut für Bodenmechanik, Grundbau und Numerische Geotechnik (kurz: IBG) der Technischen Universität Graz. Was sich dort so alles tut und was vor allem noch getan werden muss, hat uns der Bauingenieur und Laborleiter erzählt.
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Die Mitarbeiter am IBG befassen sich „mit einer großen Bandbreite an geotechnischen und auch bautechnischen Fragestellungen, welche mit der Geotechnik, dem Grundbau und der numerischen Geotechnik zusammenhängen“, erklärt Rebhan. Gegründet 1964 von Christian Veder, dem Vater der Schlitzwandtechnik, wurde das Institut 1997 um den Bereich der Numerischen Geotechnik erweitert und beschäftigt mittlerweile 25 Mitarbeiter. „Gearbeitet und geforscht wird dabei eigentlich an allem erdenklichen – was unter anderem den Möglichkeiten der Universität zu verdanken ist, aber zu einem großen Teil sicherlich durch das Interesse unseres Institutsvorstandes Roman Marte begründet wird.“
Da gibt es zum Beispiel einen „dynamischen Prüfzylinder für zugbeanspruchte Mikropfähle“ …
… oder ein neues Konzept zur Erfassung der Vorspannkraft bei Litzenankern:
Vielfältiges Portfolio
Auf Rebhan’s LinkedIn-Profil zu sehen sind auch Riesenlaster und Mikropfähle.
„Aktuell laufen Projekte zur Themenstellung der Ankertechnik und der Zuverlässigkeit von geotechnischen Bauwerken, dem Monitoring von Bauwerken, der Bestimmung von Untergrundparametern und der Ableitung und Abbildung von Untergrundmodellen aber auch Projekte welche in den Bereich der numerischen Simulation von Bau- und Untersuchungsmethoden gehen.“ Entwickelt wird beispielsweise in Zusammenarbeit mit dem Institut für Fertigungstechnik ein Prüfgerät für Mikropfähle zur Einleitung von Zuglasten in den Untergrund – beispielsweise bei Steinschlagschutznetzen, zur Ufersicherung oder der Gründung von Lärmschutzwänden. „Dieses Projekt ist gerade eine sehr lehreiche (wenn auch manchmal anstrengende) Tätigkeit, da zum einen die Vorstellungen von Bauingenieuren und Maschinenbauern weit abweichen und zum anderen, weil wir hier wirklich neue und innovative Lösungen gefunden haben die uns sicherlich noch einige Zeit begleiten und fordern werden.“
Dazu kommen Mikropfahl- und Ankerprüfungen, Laborversuche zur Bestimmung von Untergrundparametern und Gutachten bei Schadensfällen oder Problemstellungen.
Blick über die Institutsgrenzen hinaus
In einem Projekt wird die Möglichkeit einer impulsartigen Prüfung von Mikropfählen untersucht. Dass es eine Möglichkeit geben muss, eine solche Belastung zu simulieren, da waren sich alle Projektbeteiligten einig – nur wie? „Wir hatten die Idee, den Impuls über vorgespannte Federn aufzubringen – hier ist die Energiedichte jedoch viel zu gering.“ Die aktuelle Lösung besteht aus einem vorgespannten Hydraulikzylinder.
Die Lösung kam letztendlich vom Institut für Fertigungstechnik – in Form eines vorgespannten Hydraulikzylinders – für Rebhan ein eindeutiger Beweis, dass die Umsetzung solcher Projekte an einer Universität von großem Mehrwert ist, weil auf Expertenwissen aus unterschiedlichsten Fachbereiche zurückgegriffen werden kann.
Denn „jeder Versuch – egal ob im Labor oder auf dem Feld – benötigt meist ein angepasstes Versuchsgerät oder spezielles Equipment. Der spannende Punkt hierbei ist, das richtige Gerät für die Aufgabe zu finden.“ Im institutsinternen „Fuhrpark“ stoße man schnell an die Grenzen, weshalb an anderer Stelle nach Lösungen gesucht werden muss – und genau das sei einer der Punkte, die den Reiz seiner Arbeit ausmachen, so Rebhan. Kreativität und ein Blick über die eigenen Institutsgrenzen ist oft gefragt – fündig wird man dann in anderen Disziplinen, Fachbereichen oder auch Institutionen „wie in einem der letzten Projekte mit der Feuerwehr. Das ist auch der Grund, warum die Arbeit in der Labor- und Versuchstechnik so spannend ist und warum die Tätigkeit auf der Universität so erfüllend ist, dass ich diese gegen nichts Anderes eintauschen möchte.“
2022 stehen noch letzte Testreihen mit neuen Prüfeinrichtungen an, um zwei Projekte zur Ankertechnik abzuschließen, außerdem Feldversuche, „wo wir beispielsweise eine spezielle Sonde zur Erfassung des Erddruckes untersuchen, die Eigenschaften eines thermisch verbesserten Betons für Schlitzwände betrachten wollen oder wo wir Duktil- bzw. Mikropfähle aus Holz an ihre Belastungsgrenze bringen möchten.“
Anders als erwartet
Die Bandbreite an Versuchen ist groß und die Arbeit verläuft selten in vor gefertigten Bahnen. „Monumental schief gelaufen ist zum Glück noch nichts. Aber manche Versuche sind natürlich nicht so gelaufen wie erwartet, aber bisher haben wir es immer geschafft, die Ergebnisse zu erhalten, die wir wollten – wenn es auch nicht die waren, die wir erwartet hatten. 😉“
Da kann es schon mal passieren, dass ein Mikropfahl zur Computer-Tomografie muss, sehr zur Freude der Radiologie-Assistentinnen, erinnert sich Rebhan: „Das war der erste Patient, der sich bei der Bildgebung nicht bewegt hat und keine Schmerzen hatte.“
Ein anderes Mal äußerten Mitarbeiter des Streckendienstes der ASFiNAG Sorge. Sie waren der Meinung, dass die Bauleute mit ihrem Lasermessgerät Bauwerke zerstören könnten – eine berechtigte Sorge.
Das Vorurteil der verstaubten universitären Forschung wird von Rebhan also so leicht aus dem Weg geräumt wie ein Kieselstein von einem Bagger. „Ein ehemaliger Professor an der TU Graz hat mal gemeint, dass „eine gute Theorie ganz praktisch ist“ – und ich glaube genau das beschreibt die Arbeit an unserem Institut sehr gut.“ Natürlich braucht es auch für die praktischsten Projekte eine theoretische Basis, aber „verstaubt sind wir zum Glück nicht – weil sich gezeigt hat, dass bei großen und kleinen Versuchen sehr schnell das Kind in allen Mitarbeiter*Innen am Institut zum Vorschein kommt.“
Nachhaltig und innovativ? Nicht so ganz
Ein Themenschwerpunkt, der Rebhan dabei ganz besonders am Herzen liegt, ist die Nachhaltigkeit. In dem Bereich, so Rebhan, gebe es im Bauwesen noch viel Luft nach oben. „Ein großer Punkt in der Forschung sollte bzw. muss die Nachhaltigkeit bzw. die Schonung und Einsparung von Ressourcen sein. Im Bereich der Geotechnik haben wir hier einen riesigen Aufholbedarf – sowohl was die Baumethoden aber auch die Verwendung der Baustoffe betrifft.“
Das Interesse an Innovationen und Weiterentwicklung sei aber sehr wohl gegeben, so Rebhan. Dass die Branche beispielsweise bei Digitalisierung dennoch meilenweit hinterherhinke, sei nicht nur der Branche selbst geschuldet, „sondern auch der Tatsache, dass jedes Projekt im Bauwesen – egal ob es ein Einfamilienhaus oder die Errichtung einer neuen U-Bahnlinie ist – eine Sonderlösung darstellt und daher nur bedingt mit anderen Projekten vergleichbar ist“. Jedes Problem wird aktuell für sich allein betrachtet, jedes Problem individuell gelöst – Innovation kommt somit immer nur im Einzelfall zum Tragen und geht nicht über die Baustelle hinaus. Es kann nicht vergleichen und voneinander gelernt werden.
Das Potenzial zu großen Innovationen, die die ganze Branche weiterbringen, sei aber auf jeden Fall vorhanden, so Rebhan. „Hier kann man in allen Bereichen ansetzen – bei den Materialien, den Bauweisen und der Digitalisierung. Ich glaube aber, dass wir alle Innovationen im Bauwesen aus dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit und der Ressourcenschonung betrachten müssen – und nicht immer gewinnorientiert.“
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Beruf und Berufung: Über Matthias Rebhan
Angefangen hat Rebhans Karriere im Baugewerbe ganz klassisch – in der Sandkiste. „Es war laut Aussage meiner Mutter relativ schwierig, mich aus dem Sandkasten zu bekommen und mir die Lego-Steine wegzunehmen.“ Nach der Matura an einer HTL wollte Rebhan eigentlich im Hochbau bleiben, im Zuge seines Studiums der Bauingenieurswissenschaften an der TU Graz weckte die spannende Vortragsweise von Roman Marte, dem Vorstand des IBG, sein Interesse an der Geotechnik. Was ihn daran fesselt ist die große Bandbreite an Aufgabenstellungen und die Überschneidung mit anderen Bereichen des Bauwesens. An der TU Graz ist Rebhan seit 2016 Technischer Mitarbeiter und seit 2021 Senior Scientist sowie Laborleiter.