(Credit: Dall-E)

O Sohle mio! Abweichungen bereits während der Bohrung messen

Wir sind mal wieder bei Wasserzutritten. Indirekt zumindest. Konkreter befinden wir uns am „Halleschen Ufer“ in Berlin, wo Hendrike Gramatke, Bauleiterin von Stump Franki, bis zu ihrer Karenz DSV-Säulen und die dazugehörigen Sensoren optimiert hat.

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Beim Düsenstrahlverfahren werden Injektionslanzen in den Boden gebracht und nach Start der Injektage unter ständigem Drehen aus dem Untergrund gezogen, wodurch ein säulenartiger Körper im Baugrund hergestellt wird. Werden so mehrere Säulen leicht überlappend nebeneinander injiziert, entsteht eine wasserdichte Baugrubenumschließung, die vor unliebsamen Wasserzutritten schützt. (Aufmerksame Leser kennen das Düsenstrahlverfahren spätestens seit unserem Blogbeitrag über Tempjet, für den wir mit Stefan Fuchs Licht in den dunklen Untergrund gebracht haben.)

Aus sich überlappenden DSV-Säulen entsteht eine wasserdichte Baugrubenumschließung (Credit: Hendrike Gramatke / Stump Franki)
Credit: eguana

Steine oder sich ändernde Bodenschichten können aber dazu führen, dass Start- und Endpunkt der Bohrung nicht genau vertikal übereinanderliegen, weiß Hendrike. Diverse Störfaktoren im Untergrund hindern das Gestänge teilweise daran, senkrecht nach unten vorzudringen – ist die Abweichung zu groß, „kann es passieren, dass sich die Kreise nicht genug überschneiden, um eine geschlossene Sohle zu bilden.“  Gemäß dem Deutschen Institut für Normung und ihrer Zulassung sind Bauleiter deshalb verpflichtet, beim Erstellen einer Sohle vertikale Messungen durchzuführen und Verschiebungen zwischen Start- und Endpunkt zu messen, um sicherzustellen, dass korrekt gebohrt und die Sohle dicht ist.

Solche Messungen sind in der Regel sehr aufwändig. Bevor das Gestänge verlängert wird, wird es aus dem Boden gezogen und eine Sonde in den Untergrund eingebracht, um eine eventuelle Abweichung zu messen. Anschließend wird die Sonde herausgezogen, das Gestänge verlängert, weitergebohrt und für eine erneute Messung herausgezogen. Bis die Bohrung die gewünschte Tiefe erreicht, muss so viele Male aufgebaut, gemessen und abgebaut werden.

Mit der Sohle am Halleschen Ufer wurde die Grundlage für ein achtstöckiges Büro- und Geschäftshaus injiziert. „Auf dem Baufeld war früher „das“ Postzentrum von Berlin. Daher haben wir alte Tresore ausgraben dürfen“, erzählt Hendrike, die auf Baustellen in der Vergangenheit schon Funde wie Bernstein oder Skelette gemacht hat.

Kein ständiger Ab- & Aufbau notwendig

Die Fertigstellung des Gebäudekomplexes am Halleschen Ufer ist für 2024 geplant, die Arbeiten an der Sohle sind bereits seit Herbst 2021 beendet. Ziemlich viel Fläche – ziemlich viele DSV-Säulen. Um Zeit zu sparen, kam ein innovatives Messgestänge der GuD Consult GmbH zum Einsatz: Das Magnetpunktgestänge misst Abweichungen von der Vertikalen über ein Ketten-Inklinometer*, also direkt während der Bohrung. Ein ständiger Ab- und Aufbau ist somit nicht mehr notwendig. „Und der ganze Zauber daran ist, dass eguana uns diese Daten direkt auswertet und bildlich darstellt, mit Soll und Ist“, freut sich Hendrike über die Erleichterung.

Soll- und Ist-Darstellung der DSV-Säulen (Credit: Hendrike Gramatke / Stump Franki)
Credit: eguana

„Da das System noch ziemlich neu und eher weniger Praxis erprobt war, war die größte Herausforderung meine Ungeduld und die Zeit“, so Hendrike. „Wie immer hatten wir natürlich zum einen vereinbarte Termine die gehalten werden sollte und selbstverständlich auch ein kalkuliertes Budget. Braucht man mehr Zeit, muss man nicht nur den Bauherrn ‚beruhigen‘, sondern auch die Leute und Geräte länger bezahlen…“

Spezialtiefbau steht „auf der Stelle“

In den letzten 25 Jahren habe sich im Spezialtiefbau nicht sonderlich viel verändert, so Hendrike. „Auch damals hätte man eine Sohle gemacht, vermutlich wäre einfach die Auswertung deutlich aufwendiger gewesen.“ Die Anforderungen an die Dokumentation seitens des Gesetzgebers sind in den vergangenen Jahrzehnten aber deutlich gestiegen und machen die genauere Erhebung notwendig.

Durch das neue Gestänge und die dazugehörige Datenauswertung auf eguana SCALES findet die Auswertung nun digital und quasi in Echtzeit statt, was es deutlich leichter macht, auf Probleme schnell zu reagieren und einen qualitativen Mehrwert bringt. „In der Ausführung stehen wir, also der gesamte Spezialtiefbau, aber eher auf der Stelle.“

Nichtsdestotrotz sei das neue Gestänge in Kombination mit der vereinfachten Auswertung ihre liebste Neuerung der vergangenen Jahre, erklärt die Bauleiterin. „Ich bin einfach wieder viel näher am Baugeschehen und muss nicht auf die Zuarbeit eines Dritten (Technikers) warten.“

Wunsch nach Entschleunigung

An der fortschreitenden Digitalisierung sei aber nicht alles nur positiv, kritisiert Hendrike den wachsenden Zeit- und Leistungsdruck. Es fehle zum Teil die Zeit, Antworten zu überdenken, Reaktionen müssten möglichst sofort erfolgen. „Ich wünsche mir wirklich für alle sehr, dass sich unsere Welt mal wieder entschleunigt und es nicht mehr um immer mehr und immer schneller geht.“

Diese Entwicklung sehen auch Forscher auf der ganzen Welt. Im „Wiener Manifest für Digitalen Humanismus“ fordern, digitale Technologien so zu gestalten, dass sie das Wohl des Menschen in den Mittelpunkt stellen. „Wir müssen Technologien nach menschlichen Werten und Bedürfnissen formen, anstatt nur zuzulassen, dass Technologien Menschen formen“, heißt es in dem 2019 publizierten Dokument.

Und das ist es, was wir von eguana mit unseren Innovationen erreichen wollen: Technologien, die dem Menschen nützen und uns das Leben angenehmer machen – nicht stressiger oder komplizierter.

Über Hendrike Gramatke:

Unsere allerliebste Lara Croft gräbt nicht nur während ihrer Arbeit Schätze aus und fördert Unerwartetes zutage, auch sonst ist sie eine absolute Goldgrube, etwa wenn es um spannende neue Projekte oder Innovationen in der Baubranche geht. Seit Juli widmet sie sich einer ganz besonderen Herausforderung und steigt in der näheren Zukunft wohl auf den Bau von Sandburgen um (auch in der Sandkiste gibt es viel zu bauen, auszugraben und entdecken!) – wir wünschen der frischgebackenen Mutter ganz viel Spaß dabei, und wenn möglich sogar ein bisschen von der gewünschten Entschleunigung 😉

(Auch bei Stump Franki gibt es offensichtlich eine Tendenz zu Kuchen! Credit: privat)

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*Ein Inklinometer, auch Neigungsmesser, ist ein Gerät zur Messung von Steigung bzw. Winkel. Im Baubereich kommen sie zur exakten Bestimmung von Bohrlochverläufen zum Einsatz. Beim Ketten-Inklinometer wird für die Messung eine Messkette verwendet, die aus mehreren Messelementen besteht, die miteinander über Gelenke verbunden sind. So kann automatisch festgestellt werden, ob es zu Abweichungen während der Bohrung kommt.

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Von Anna Riedler

Als der Orientierungssinn vergeben wurde, hatte sich Anna gerade verlaufen. Umso besser, dass ihre Arbeit mit Baustellen nur peripher zu tun hat – sie würde vermutlich nie wieder zurück ins Büro finden. Stattdessen schreibt die studierte Journalistin fleißig Texte für unsere Homepage, unseren Blog, und literaturnobelpreisverdächtige Kurzbeschreibungen.